Agiles Lernen: Wie Agile die Bildung verändern kann.

In diesem Artikel möchte ich unter dem Schlagwort agiles Lernen erläutern, wie agile Methoden dabei helfen können die Bildung zu verändern.
Unser Bildungssystem hat einen so genannten Bildungsauftrag. Wikipedia definiert Bildungsauftrag wie folgt:
„Als Bildungsauftrag wird die Aufgabe staatlicher Institutionen bezeichnet, für die Allgemeinheit geeignete Bildungsangebote zu erarbeiten und bereitzustellen.“
Was sind aber geeignete Bildungsangebote? In meinen Augen sind geeignete Bildungsangebote, die zu einem bestimmten Zeitpunkt für eine bestimmte Zielgruppe unter dem zu dem Zeitpunkt gegebenen Rahmenbedingungen passende Lernangebote bereitstellen. Somit sind Bildungseinrichtungen ähnlich komplexen Rahmenbedingungen ausgesetzt wie z.B. die Softwareentwicklung, welche ebenso in einem komplexen und schwer vorhersagbarem Umfeld liegt.
Da Agile für komplexe Rahmenbedingungen genau die richtigen Methoden bietet, wäre es doch sinnvoll diese auch im Bildungsumfeld einzusetzen.
Das agile Manifest im Kontext Bildung (das Fundament für agiles Lernen)
Das agile Manifest wurde für den Kontext Software Entwicklung formuliert. Bei Agile geht es im Wesentlichen um Menschen, stetige Veränderung und kontinuierliches Lernen – drei Dinge, die sich wunderbar auch auf die Bildung übertragen lassen. Wie würde also das agile Manifest im Kontext Bildung aussehen? So könnte es formuliert sein:
Agile Werte im Kontext Bildung:
- Selbstverantwortliches Lernen über starre Lehrpläne
- Zusammenarbeit zwischen Schülern und Lehrkräften über einseitige Wissensvermittlung
- Anpassung an individuelle Lernbedürfnisse über einheitliche Bewertungssysteme
- Lernprozess und Reflexion über bloße Ergebnisorientierung
Das heißt, obwohl wir die Werte auf der rechten Seite wichtig finden, schätzen wir die Werte auf der linken Seite höher ein.
Die zwölf Prinzipien hinter dem Manifesto könnten Kontext Bildung wie folgt ausschauen:
- Unsere höchste Priorität ist es, Freude am Lernen zu ermöglichen – durch sinnvolle Inhalte, aktive Beteiligung und echtes Verstehen.
- Wir heißen Veränderung willkommen, auch spät im Schuljahr. Agiles Lernen nutzt neue Erkenntnisse, um Unterricht besser zu machen.
- Wir liefern regelmäßig Lernerfahrungen, die greifbar, interaktiv und relevant sind.
- Lehrern und Schülern arbeiten gemeinsam am Lernprozess – als Lernpartnerschaft, nicht als Hierarchie.
- Wir bauen das Lernen um motivierte Menschen herum – wir vertrauen auf ihre Verantwortung und ihre Kreativität.
- Der direkte Dialog ist der effektivste Weg, Lernbedürfnisse zu erkennen und Impulse zu geben – nicht bloß Korrekturen am Rand.
- Fortschritt zeigt sich nicht nur in Noten, sondern in Wachstum, Transfer und Selbstreflexion.
- Gleichmäßiges Lernen, in sinnvollen Rhythmen, fördert nachhaltigen Lernerfolg – statt Bulimie-Lernen für Klassenarbeiten.
- Stetige Aufmerksamkeit auf didaktische Qualität und Vereinfachung erhöht die Wirksamkeit von Lehre.
- Einfachheit – die Kunst, das Wesentliche zu lehren – ist entscheidend.
- Die besten Lernergebnisse entstehen, wenn Schülern Verantwortung für ihren Lernprozess übernehmen.
- In regelmäßigen Reflexionsrunden überlegen wir gemeinsam, wie wir besser lernen, lehren und zusammenarbeiten können – und passen uns entsprechend an.
Agile Praktiken für die Schule
Transparenz & Klarheit im Lernprozess
Lern-Kanban für Schüler
- einfache Boards mit Spalten wie „zu lernen“ – „lerne ich gerade“ – „verstanden“
- Visualisiert den individuellen Lernfortschritt
- ermöglicht Eigenverantwortung und Selbststeuerung
Wochenziele / Lern-Sprints
- Schüler planen ihre Lernwoche (z.B. 3 Lernziele)
- am Ende der Woche wird reflektiert: was lief gut, was war schwierig?
Zusammenarbeit und Feedbackkultur
Lern-Reviews mit Feedback
- Am Ende von Projekten oder Themenblöcken findet ein Austausch darüber statt, was gelernt wurde – nicht nur Prüfungen.
- Peers und Lehrkräfte geben wertschätzendes Feedback
Partnerarbeit mit Rollen
- Schüler bekommen agile Rollen:
- Lernmoderator: leitet die Gruppe durch die Lernphase und achtet darauf, dass alle beteiligt sind. Stellt sicher, dass das Ziel der Aufgabe verstanden wurde und erinnert daran, wenn die Gruppe abschweift. Klärt gemeinsam die Aufgabenstellung, Eröffnet und schließt Arbeitsphasen und sorgt für Beteiligung & Orientierung in der Gruppe.
- Zeitwächter: Behält die Zeit im Blick und gibt Bescheid, wenn Lernphasen bald zu Ende gehen. Sorgt dafür, dass genug Zeit für Besprechung, Reflexion oder Abgabe bleibt. Teilt die zur Verfügung stehende Zeit sinnvoll ein, informiert die Gruppe über Zwischenstände und Mahnt freundlich zur Fokussierung, wenn nötig.
- Feedbackgeber: Beobachtet aufmerksam, wie die Gruppe zusammenarbeitet, und gibt am Ende Rückmeldung. Spricht an, was gut lief – und was beim nächsten Mal besser laufen könnte. Gibt am Ende strukturiertes Feedback zur Gruppenarbeit und achtet dabei auf Wertschätzung und Entwicklung.
- Retrospektive: alle drei Rollen besprechen am Ende einer Arbeitsphase:
- Was lief gut?
- Was war schwierig?
- Was nehmen wir uns für das nächste Mal vor?
- Fördert Struktur und Kommunikation
Reflexion und Anpassung
Mini-Retrospektiven
- Kurzes Format: Was lief gut? Was hat gestört? Was ändern wir?
- Für Klassenteams, aber auch im Kollegium einsetzbar
Check-ins und Check-outs
- Start und Ende von Lernphasen mit kurzen Stimmungsabfragen oder Reflexionsfragen
- Beispiel: „Wie bereit bin ich heute zu lernen?“ / „Was nehme ich aus der Stunde mit?“
Anpassungsfähigkeit und Individualisierung
Lernfahrpläne / Wahlaufgaben
- Schüler wählen aus differenzierten Aufgaben – nach Level oder Interesse
- Lehrer agieren als Lern-Coaches, nicht nur als Wissensvermittler
Timeboxing
- Feste Zeitfenster für bestimmte Lernphasen (z.B. 20min Input, 25min Üben, 10min Reflektieren)
- Struktur ohne Starrheit – fördert die Konzentration
Beteiligung und Mitgestaltung
Klassenteams mit Verantwortlichkeiten
- Schüler übernehmen Rollen wie Organisation, Moderation und Dokumentation von Lernphasen
- Fördert Eigenverantwortlichkeit und Beteiligung
Ideenbox / Schüler-Gilde
- Schüler können Vorschläge zur Unterrichtsverbesserung machen
- monatliches Treffen mit der Lehrkraft zur Auswertung und Umsetzung
Didaktik und Schulentwicklung
Interdisziplinäre Projekte
- Agiles Arbeiten eignet sich ideal für fächerübergreifende Lernprojekte (Themenwochen, Projektlernen)
- Arbeit in kleinen Teams mit Präsentationen und Reviews
Agile Steuergruppen in der Schule
- Schulentwicklung mit agilem Mindset: regelmäßige Retrospektiven, transparente Aufgaben-Backlogs, partizipative Entscheidungen (Beispiel: „Wie verbessern wir die Kommunikation im Kollegium“)